RA Klink hat vor Apothekern am 26.04.2019 einen Vortrag über die Haftungsrisiken bei der Abgabe von Arzneimitteln gehalten. Anlaß dazu ist ein Urteils des OLG Köln vom 07.08.2013, welches für stationäre Apotheken weitreichende Konsequenzen haben kann. Die bisher nur bei Ärzten angewandte Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler kommt nunmehr auch für Apotheker zur Anwendung. Dies war insoweit überraschend, als dass rechtsdogmatisch zwischen dem Patienten und dem Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln ein Kaufvertrag zustande kommt. Für die Anwendung der besonderen Haftungskonstellationen bei Ärzten ist jedoch ein Behandlungsvertrag erforderlich. Diese dogmatische Hürde überspringt das OLG Köln mühelos, indem es bei der Verletzung des § 20 ApBetrO – also bei der groben Verletzung von Beratungs- und Überprüfungspflichten – zu einer Umkehr der Beweislast kommen lässt. In dem vorliegenden Fall hatte eine Angestellte eines Apothekers ein Herzmedikament für ein behindertes Kleinkind in der falschen Darreichungsform an die Mutter des Kindes abgegeben. Aufgrund der nachfolgenden Überdosierung erlitt das Kind einen schweren Hypoxieschaden. Die nunmehr angenommene Beweislastumkehr führte dazu, dass nicht mehr die Eltern des geschädigten Kindes als Anspruchssteller beweisen mussten, dass der Hypoxieschaden aufgrund einer Überdosierung des Herzmedikaments eingetreten war, sondern vielmehr oblag dem Apotheker die Beweislast für das Gegenteil. Ein derartiger Beweis ist regelmäßig nicht zu führen mit der Folge, dass nunmehr auch der Apotheker für den Eintritt von schwerwiegenden Folgeschäden haftet. Das OLG Köln hat dazu in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass einen Apotheker berufsrechtliche Beratungspflichten hinsichtlich der von ihm abgegebenen Medikamente treffen, die über die allgmeinen vertraglichen Warn- und Hinweispflichten eines Verkäufers hinausgehen.
Es gilt somit aufgrund der Gefährlichkeit des Medikaments ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab bei der Abgabe bzw. Beratungs- und Informationspflicht des Apothekers.
Da ein schwerer Hypoxieschaden bei einem Kleinkind Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe auslösen kann, wären derartige Fälle sogar geeignet, die Haftungsobergrenze bei der jeweils vereinbarten Berufshaftpflichtversicherung des Apothekers zu überschreiten. Dann käme es zu einer persönlichen Haftung des Apothekers. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Annahme einer groben Verletzung der Beratungs- und Sorgfaltspflichten im Rahmen des § 20 ApBetrO der Berufshaftpflichtversicherer sich von seiner Leistung freizeichnen könnte, indem er auf eine wissentliche Pflichtverletzung abstellt. Insoweit könnte das Urteil des OLG Köln weitreichende Konsequenzen haben. Das Urteil ist rechtskräftig, es bleibt abzuwarten, ob bei einem ähnlich gelagerten Fall der BGH die Grundsätze dieser Entscheidung bestätigt.
Die Pille danach
Die vorbenannten Grundsätze als Ergebnis der Entscheidung des OLG Köln könnten auch haftungsrechtliche Konsequenzen bei der Abgabe der Pille danach haben. Mit Aufhebung der Rezeptpflicht für die Pille danach im Jahr 2015 nimmt der Apotheker quasi bei der Abgabe der Pille danach die Stellung des Arztes ein. Dabei sind umfassende Beratungs- und Aufklärungspflichten einzuhalten, die insbesondere bei der Abgabe an
Minderjährige problematisch sein können.
Für Ärzte wurde bereits obergerichtlich entschieden, dass diese bei grober Verletzung von Aufklärungspflichten für den Unterhalt des ungewollten Kindes aufkommen müssen. Im Lichte der Rechtsprechung des OLG Köln wäre dies demnach auch für Apotheker denkbar. Da Apotheker bis auf wenige Ausnahmen keiner Dokumentationspflicht unterliegen, könnten sie bei einer Inanspruchnahme in Beweisnot geraten. Deshalb hat die Bundesapothekenkammer einen anonymisierten Dokumentationsbogen bei der Abgabe der Pille danach entworfen und empfiehlt die Benutzung des Bogens als Checkliste und Dokumentationsnachweis. Für den abgebenden Apotheker empfiehlt sich, wenigstens Datum und Uhrzeit zur Identifikationszwecken zu notieren, aber auch die Patientin nach ihren persönlichen Daten zu befragen. Wenn die Patientin diese Daten nicht preisgeben will, ist zumindest durch das Datum und die Uhrzeit eine Identifizierung der Beratungsleistung möglich. Es sollte auch darauf bestanden werden, dass die Patientin ihr Alter nachweist. Eine Abgabe an Patientinnen unter 16 Jahren sollte aufgrund der von der Rechtsprechung angenommenen fehlenden Einsichtsfähigkeit nicht vorgenommen werden.
Verstöße gegen § 20 ApBetrO finden statistisch wesentlich häufiger auf der Angestelltenebene des Apothekers statt. Der Apotheker ist verpflichtet, die Umstände der Delegation an Angestellte konkret zu dokumentieren, insbesondere unter welchen Umständen der Apothekervorbehalt bzw. die Rücksprache mit dem Apotheker zu erfolgen hat. Diese Dokumentationspflicht wird regelmäßig von den Pharmazieräten in den stationären Apotheken in einem 3-Jahresrhytmus überprüft. Da sich jedoch innerhalb dieser Dreijahresfrist die Struktur der Angestellten der Apotheke durchaus ändern kann, sollte darauf geachtet werden, dass der Dokumentationsstand zu diesem Punkt tatsächlich aktuell ist. Andernfalls droht auch hier eine Haftungsfalle.